Durchmesserreduzierte ⌀ 2,4 mm Implantate zur Abstützung einer Unterkiefer-Deckprothese bei einer Patientin mit extrem schmalem Kieferkamm
Klinische Falldokumentation von Dr. Nicola Alberto Valente, Dr. Murali Srinivasan und Dr. Nicole Kalberer, Genf, Schweiz
Ausgangslage
Eine gesunde 60-jährige Patientin ohne medizinische Vorgeschichte stellte sich mit einer schlecht sitzenden Unterkiefer-Vollprothese in unserer Klinik vor. Der instabile Sitz ihrer Unterkieferprothese bereitete der Patientin Schwierigkeiten beim Kauen und hatte bei gesellschaftlichen Veranstaltungen wiederholt zu peinlichen Situationen geführt. Ausserdem klagte sie über die unschöne Ästhetik.
Der Behandlungsplan beinhaltete die Wiederherstellung der Kaufunktion und Ästhetik durch Anfertigung einer neuen herkömmlichen Oberkiefer-Vollprothese und einer Unterkiefer-Deckprothese auf vier Implantaten. Bei einer Behandlung mit Standardimplantaten hätte der Kieferkamm auf die Höhe des breiteren basalen Knochen reduziert werden müssen, um die erforderliche Kammbreite für die Implantatinsertion zu erhalten. Neben dem vertikalen Knochenverlust wäre dies mit einer Reduktion der vestibulären Tiefe einhergegangen, was sich ungünstig auf die Retention der Prothese ausgewirkt hätte (Abb. 1a, 1b, 2a, 2b). Nach Beurteilung der Patientenmotivation entschied man sich für eine Behandlung mit dem neuen Straumann® Mini Implant System mit integriertem Optiloc® Retentionssystem zur Abstützung einer neuen Deckprothese auf vier Ø 2,4 mm Implantaten. Die geplanten Implantate sollten in Regio 34, 32, 42 und 44 gesetzt werden. Aufgrund der sehr begrenzten Breite des Kieferkamms wurde eine Lappen-OP geplant, um eine sichere Implantatinsertion unter direkter Sicht zu ermöglichen.
Chirurgisches Verfahren
Nach sorgfältigem Anlegen einer krestalen Inzision unter ständigem Kontakt der Klinge mit dem schmalen Knochenkamm wurde eine zentrale Entlastungsinzision vorgenommen. Der Weichgewebelappen wurde abgehoben, um den darunter liegenden Knochen darzustellen (Abb. 3a). Es zeigte sich, dass der Kieferkamm im linken Schneidezahnbereich zu schmal war, um ein Implantat einzusetzen, vermutlich infolge einer zystischen Läsion in der Vorgeschichte. Die ursprünglich geplante Implantatposition in Regio 32 wurde daher verworfen und Regio 33 als die neue Implantatposition festgelegt. Die Implantatbetten für die Implantate in Regio 42 und 34 wurden mit dem Nadelbohrer Ø 1,6 mm gebohrt und anschliessend mit dem Pilotbohrer Ø 2,2 mm aufgeweitet. Für die Implantatbettpräparation in Regio 44 und 33 wurde nur der Nadelbohrer Ø 1,6 mm verwendet. Die parallele Ausrichtung der Implantatachsen wurde während der Implantatbettpräparation durchgängig mithilfe der Parallelpfosten geprüft (Abb. 3b). Dann wurden die vier Implantate eingesetzt. Das Mini Implant ist an der Verschlusskappe der Implantatampulle befestigt, die als erstes Eindrehinstrument dient. Die so eingebrachten Implantate wurde dann mit dem Optiloc® Adapter für Ratsche und der Ratsche bis auf ihre endgültige Position eingebracht (Abb. 4a).
Anschliessend wurde der Weichgewebelappen mit einer fortlaufenden Naht und einem Polyamid-Nahtmaterial 4-0 verschlossen (Abb. 4b, 4c).
Aufgrund des schmalen Knochenkamms wurde von einer Sofortbelastung abgesehen, und die vorhandene Prothese wurde an den Implantatpositionen ausgefräst, um während der Einheilungsphase jeglichen Kontakt der Prothesenbasis mit den transgingivalen Implantatanteilen zu vermeiden.
Prothetisches Verfahren
Nach einer Einheilphase von 6 Wochen wurde die Patientin zur endgültigen prothetischen Versorgung ihres zahnlosen Oberkiefers und ihres zahnlosen und mit Straumann® Mini Implants versorgten Unterkiefers an die Division für Gerodontologie und abnehmbare Prothetik der Universitätszahnklinik Genf, Schweiz, überwiesen. Hier wurden beim ersten Untersuchungstermin vorläufige Abformungen vorgenommen, wobei ein Hydrokolloid-Abformmaterial verwendet wurde. Parallel dazu wurde die vorhandene herkömmliche Unterkiefer-Vollprothese der Patientin mit einem funktionellen Abformmaterial zur Weichgewebekonditionierung unterfüttert, um für die Übergangsphase einen besseren Halt der Prothese zu erreichen. Im Oberkiefer wurde in herkömmlicher Technik und unter Verwendung eines individuellen Abformlöffels eine mukodynamische Funktionsabformung vorgenommen, um die Prothese an die Weichteilsituation anzupassen. Anschliessend erfolgte eine mukostatische endgültige Abformung mit einer Zinkoxid-Eugenol-Abformmasse. Auf die Optiloc® Verbindungen der Implantate im Unterkiefer wurden Optiloc® Abform-/Fixier-Matrizen gesetzt. Anschliessend wurde eine mukodynamische Abformung mit einer Abformmasse auf Elastomerbasis (Polyvinylsiloxan) vorgenommen (Abb. 5a, 5b & 6a, 6b). Das Dentallabor (Zahnmanufaktur Zimmermann und Mäder, Bern, Schweiz) stellte die Meistermodelle und dazugehörigen Wachsbisswälle im Standardverfahren und unter Verwendung der Optiloc® Manipulierimplantate her und führte auch alle weiteren Laborarbeiten aus (Abb. 7a). In den nächsten klinischen Schritten wurde die Abstützung von Ober- und Unterlippe geprüft, um eine schöne rot-weiss Ästhetik sicherzustellen, die Okklusionsebenen wurden geprüft, die vertikale Dimension der Okklusion wurde bestimmt, und es wurde eine abschliessende Bissregistrierung vorgenommen (Abb. 7b-7d). Ein zentrales Element bei der Herstellung der endgültigen Zahnaufstellung waren die an das Labor übermittelten Patientenfotos (Abb. 8a-8b). Bei der Einprobe wurde die Zahnaufstellung dann im Hinblick auf die Lippenabstützung, die Okklusionsebenen, die rot-weiss Ästhetik und die Okklusalkontakte geprüft (Abb. 9a, 9b). Darüber hinaus konnte die Patientin Änderungswünsche einbringen und wurde vor der Fertigstellung der endgültigen Prothesen um ihre Freigabe gebeten. Um Frakturen vorzubeugen und so die Langlebigkeit der implantatgetragenen UK-Deckprothese zu gewährleisten, wurde in die Prothesenbasis eine Verstärkung aus Polyetheretherketon (PEEK) eingearbeitet (Abb. 10). Die neue herkömmliche Oberkiefer-Vollprothese und die neue Unterkiefer-Deckprothese auf vier Implantaten mit Optiloc® Retentionssystem wurden im Dentallabor unter Anwendung von Standardverfahren fertiggestellt. Für die Deckprothese wurden auf alle Optiloc® Manipulierimplantate Optiloc® Matrizengehäuse und Retentionseinsätze gesetzt. Das Dentallabor lieferte die fertiggestellte Oberkiefer-Voll- und Unterkiefer-Deckprothese an die Zahnarztpraxis (Abb. 11a, 11b). Beim letzten Behandlungstermin wurden die geeigneten Optiloc® Retentionseinsätze (leichte Retention) ausgewählt und mit dem Optiloc® Einsetz- und Aushebeinstrument für Retentionseinsätze in die Matrizengehäuse der Deckprothese eingesetzt (Abb. 12a, 12b & 13a, 13b). Dann wurden die herkömmliche Oberkiefer-Vollprothese und die implantatgetragene Unterkiefer-Deckprothese in den Mund der Patientin eingesetzt. Es folgte eine abschliessende Mundhygieneinstruktion und Einweisung in die Reinigung des Zahnersatzes (Abb. 14a, 14b).
Endergebnis
Das Ergebnis der Behandlung war erfolgreich. Die Patientin war sehr zufrieden, verfügte über eine verbesserte Kaufunktion und neues Selbstvertrauen.
Schlussfolgerung
Die Verwendung von vier Straumann® Mini Implants mit einem Durchmesser von Ø 2,4 mm zur Abstützung einer Unterkiefer-Deckprothese hat sich in diesem Fall, in dem eine herkömmliche Implantatbehandlung mit Implantaten grösserer Durchmesser nicht möglich war, als eine zuverlässige Technik erwiesen, die sowohl für den Operateur als auch für die Patientin zufriedenstellende Ergebnisse garantierte.
Durchführung des chirurgischen Verfahrens durch Dr. Nicola Alberto Valente, Durchführung des prothetischen Verfahrens durch Dr. Nicole Kalberer unter Aufsicht von Dr. Murali Srinivasan.